Geschichte der Sathmarer Schwaben

Die Geschichte der Sathmarer Schwaben ist ebenso wechselhaft wie faszinierend. Es ist die Geschichte mehrerer Jahrhunderte, politischer, territorialer und kultureller Umwälzungen sowie der Auswanderung, Integration und Rückwanderung.

Wer sind die Sathmarer Schwaben?

Die Sathmarer Schwaben sind eine deutschsprachige Minderheit in Rumänien und größtenteils im Kreis Sathmar (Satu Mare) angesiedelt. Die Bevölkerung mit deutschen Wurzeln aus den rumänischen Kreisen Bihor (v.a. in und um Großwardein (Oradea), Salaj und Maramures wird ebenso den Sathmarer Schwaben zugeordnet. Drei sathmarschwäbische Dörfer liegen im heutigen Ungarn. Die Sathmarer Schwaben gehören zusammen mit anderen deutschsprachigen Minderheiten Südosteuropas zur Gruppe der Donauschwaben.




Schwäbische und sonstige deutschsprachigen Gemeinden


Quelle: Stefan Vonhaz, Die deutsche Ansiedlung im Komitat Sathmar, hrsg. v. Stefan Koch, 1987, S. 9.




Auswanderung - Definition und Bedeutung

Was bedeutet Auswanderung? 

Bemüht man Lexika und sonstige Informationsquellen zur Begrifflichkeit des Terminus so findet man häufig die folgende Definition:

"Auswanderung oder auch Emigration ist das Verlassen eines Heimatlandes auf Dauer. Auswanderer/Emigranten verlassen ihre Heimat aus freiwilligen oder gezwungenermaßen ökonomischen, religiösen, politischen oder persönlichen Gründen."

Wissenschaftliche Erklärungsmodelle


Die Migrationsforschung erklärt Auswanderung und Emigration anhand des sog. Push-Pull-Modells. Das Modell wurde in den 1960er Jahren von Everett S. Lee aufgestellt. 
Die Theorie argumentiert, dass Menschen aus einem ursprünglichen Gebiet "weggedrückt" werden (engl. "to push"; "drücken"), während sie von einem anderen Gebiet "angezogen" (engl. "to pull", "ziehen") werden. Diese Theorie wird sowohl auf Probleme der nationalen wie der internationalen Wanderung angewandt. Mit der Veröffentlichung seiner Arbeit (Original von 1966) begründet Lee eine "Familie" von Migrationstheorien, die sich am Prinzip des "ökonomischen Rationalismus" (Scheibelhofer) anlehnen.

Zu den Push-Faktoren (Migrationsdruck) zählen:

Sozioökonomische Gründe wie:

- Arbeitslosigkeit, geringe Einkommen, Perspektivlosigkeit
- Armut und Hunger
- soziale Ungleichheit 
- hohe Steuern/Abgaben (Steuerflucht)
- fehlende/mangelnde Infrastruktur
- demografische Probleme (Landknappheit/Überbevölkerung)

Politische Gründe wie:

- Krieg, politische Instabilität
- Diktatur, staatliche Gewalt
- Missachtung der Menschenrechte (z.B. Einschränkung der Meinungs- u. Religionsfreiheit)
- Diskriminierung oder Verfolgung (aufgrund von Religion, Hautfarbe, Ethnie, polit.            Weltanschauung, Geschlecht...etc.)

Ökologische Gründe wie:

- Natur-, Klima- und Umweltkatastrophen (z.B. Überschwemmungen, Erdrutsche, Erdbeben,...)
- Verknappung von Naturressourcen (z.B. durch Versalzung, Erosion, Überweidung,....etc.)

Zu den Pull-Faktoren zählen:

Ökonomische Anreize wie:

- Hochkonjunktur
- gute Einkommenschancen/allg. Angebot von Arbeitsstellen
- Wirschaftsförderprogramme
- wirschaftliche Unabhängigkeit

Gesellschaft 

- Sicherheit
- hohe Toleranz (Religion, Ethnie,...etc.)
- gute Bildungsmöglichkeiten

Demographie

- ausreichendes Flächenangebot
- strukturierte Raumplanung
- demografisch bedingter Arbeitskräftemangel 

Politik

- günstige Einwanderungsgesetze/Möglichkeit des Familiennachzugs
- Möglichkeit legaler Wanderung
- Anerkennung der Einwanderer als Innovationspotential
- Rechtssicherheit (Bsp. Eigentumsrecht)
- Frieden



Historische Entwicklung vor der Auswanderung in Ungarn

Nach dem Sieg in der Schlacht bei Zenta durch Prinz Eugen von Savoyen 1697 wurde der Weg für den Frieden von Karlowitz (1699) bereitet. Dieser resultierte in der Festlegung der Grenzen zwischen dem Habsburgischen und Osmanischen Reich durch die Flüsse Theiß und Donau sowie Bosut und Save.

Der Aufstand von Franz II. Rákóczi (Kuruzenkrieg), welcher 1703 in Ungarn ausbrach, fand 1711 mit dem Frieden von Sathmar ein Ende. Für die Aufständischen unterzeichnete ihn Rákóczis Stellvertreter Graf Alexander Károly, dessen Güter im ungarischen Komitat Sathmar verwüstet wurden. Neben der Verwüstung der Güter führte die von 1709 bis 1712 wütende Pest im Komitat zu einer weiteren Dezimierung der Leibeigenen und Bewohner. Zur Bebauung der brachliegenden Äcker und Ländereien waren die wenigen zur Verfügung steheneden Arbeitskräfte nicht ausreichend.
Originalurkunde des Friedens von Sathmar unterzeichnet am 1. Mai 1711
Um die verwaisten Güter wiederzubesiedeln, warben Graf Alexander Károly und seine Nachfolger Katholiken aus Oberschwaben an, vorwiegend aus den Landkreisen Biberach und Ravensburg. 

Graf Alexander Károlyi


Historische Entwicklung, Ausgangslage vor der Auswanderung in den Herkunftsgebieten

Auch die schwäbischen Herkunftsgebiete blieben von kriegerischen Einflüssen und den daraus resultierenden sozioökonomischen Spannungen nicht verschont.
Nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahre 1714 besserte sich die wirtschaftliche Lage in Oberschwaben nur langsam. Das Gebiet Oberschwaben war zwischen den Jahren 1707 und 1796 zwar von unmittelbaren Kriegshandlungen nicht betroffen, dennoch belasteten Missernten, Viehseuchen sowie politische und militärische Auseinandersetzungen (Polnische Thronfolgekrieg 1733-1735, beide Schlesische Kriege 1740-1748 sowie der Siebenjährige Krieg 1756-1763) die Bevölkerung. 
Zudem sorgte das gängige Erbrecht der Landbevölkerung zu zusätzlichen wirtschaftlichen und existenziellen Problemen. Das sog. Anerbenrecht in Oberschwaben, durch welches die Höfe, Lehensgüter und Selden ungeteilt an den einzigen Erben weitergegeben wurden, führte zwar zum Erhalt der landwirtschaftlichen Struktur mit einer Vielzahl an mittel. und großbäuerlichen Höfen, führte aber auch zur Verarmung derer, die ausgesteuert wurden oder nur ein geringes Erbe erhielten. Verstärkt wurde die oft prekäre Lage durch Preissteigerungen der Lebensmittel resultierend aus Ernteausfällen und Viehseuchen.
Um diesen Problemen zu entfliehen, entschieden sich viele Bewohner aus der Region Oberschwaben, den Werbern aus Ungarn zu folgen und ihr Glück in einer neuen Heimat zu suchen.

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